Bahnbrechende Entscheidungen im Wohnmobil-Diesel-Abgasskandal von Fiat Chrysler Automobiles (FCA Italy SpA): Das OLG München geht in gleich 4 Berufungsverfahren (Aktenzeichen 36 U 3000/22, 36 U 2768/22, 36 U 2999/22 und 36 U 3680/22) davon aus, dass FCA Italy SpA vorsätzlich eine unzulässige Timerfunktion implementiert hat. Die Abgasreinigung schalte nach 22 Minuten ab.
Es handelt sich bei der sog. Timer Funktion um eine Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 715/2007. Durch diese Funktion ist sichergestellt, dass die Beklagte zu 1) der Verpflichtung, die Emissionen bei normalen Nutzungsbedingungen wirkungsvoll zu begrenzen, nachkommt, vielmehr wird mit dem Einbau dieser Einrichtung die Einhaltung in der Phase des Zulassungstests sichergestellt, nicht aber unter normalen Fahrbedingungen, die auch einen Zeitraum von mehr als 22 Minuten nach dem Motorstart umfassen (vgl. EuGH Urteil vom 14.07.2022, C-128-20 Rn 41, 42).
Die Deaktivierung oder deutliche Reduzierung der Abgasreinigung kurz nach einem Zeitraum, welcher der Durchführung der Abgaskontrolle auf dem Prüfstand entspricht, steht einer prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtung gleich. Der Umstand, dass die Abschaltung bei jeder Fahrt und nicht nur nach Durchfahren des Prüfzyklus erfolgt, steht dem nicht entgegen. Eine Abgasreinigung, die aufgrund einer sog. Umschaltlogik nur im Prüfstand aktiviert wird, unterscheidet sich nicht maßgeblich von einer Steuerung, die außerhalb des Prüfstands aufgrund Zeitablaufs nach 22 Fahrminuten stets deaktiviert ist.
Die Implementierung einer solchen zeitbezogenen Deaktivierung der Abgasreinigung, welche so konfiguriert ist, dass die Abgasreinigung während einer Fahrt durch den Prüfstand aktiv ist, kurz danach aber nicht mehr, ist geeignet, die Sittenwidrigkeit zu begründen.